20.09.2025 Aberdeen – Ballater – Spittal of Glenshee – Pitlochry – Roybridge

Das Abschiedskomitee ist vollzählig angetreten – sogar der Kater, der mich tagelang ignoriert hat, ist zum Aufbruch erschienen.

Nach zwei Stunden erreiche ich Ballater mit seinem liebevoll restaurierten viktorianischen Bahnhof, an dem Königin Victoria einst auf die Bahn nach Balmoral wartete. Ich streife durch den kleinen Wartesaal, besichtige ihr Esszimmer und die zierliche Toilette und erhalte so intime Einblicke in königliche Reisen. Als Interrail-Kunde kann man da schon etwas neidisch werden.

Von hier aus führt die Straße in den Cairngorms-Nationalpark. Die von der Eiszeit geformten Täler weiten sich und die unbewaldeten Berge wirken auf den ersten Blick karg. Doch beim genaueren Hinsehen entdecke ich Binsen, Farne und flächendeckendes Heidekraut, das leider verblichen ist, weil der Sommer zu trocken war. Der Klimawandel hinterlässt auch hier seine Spuren.

Siebzehn Meilen weiter taucht Braemar Castle auf. Die Burg ist außen wehrhaft und innen überraschend wohnlich im Stil der 1950er Jahre gestaltet. Frances Farquharson, die amerikanische Mode-Redakteurin von Harper’s Bazaar und Ehefrau des letzten Lairds, gestaltete die Räume in Schiaparelli-Rosa. Besonders beeindruckt mich, dass Ehrenamtliche Führungen anbieten und die Gemeinde die Renovierungskosten trägt – das ist gelebte Geschichtsvermittlung.

Bei den uralten Steinbrücken verengt sich die schmale Straße immer wieder auf eine Spur. Hügel, Kurven und der geringe Verkehr erfordern meine volle Konzentration. Thom Rotella liefert im Radio den perfekten Soundtrack, während ich gekonnt zwischen sechs Gängen wechsle und die Panorama-Ausblicke genieße.

Entlang der Route laden Bauernhöfe mit kleinen Cafés zu wärmenden Suppen und Kuchen ein. Im hübschen Pitlochry, dem regionalen Wanderzentrum, reihen sich Cafés an Restaurants. Ich pausiere auch hier kurz.

In Spittal of Glenshee stolpere ich bei der Suche nach einem guten Fotospot fast über einen kleinen Steinkreis. Ein prähistorisches Relikt? In einer Gegend, in der u.a. Ahnenforschung Volkssport ist, ist das kaum möglich.

Pünktlich um 18 Uhr parke ich vor dem B&B in Roybridge. Mein Zimmer ist neu eingerichtet und das Duschbad ist komfortabel. Nach einem 200-Meter-Fußweg genieße ich im Hotelrestaurant eine abwechslungsreiche britische Küche, die weit mehr zu bieten hat als Fish & Chips. Die Preise sind moderat, während die Waren in den Supermärkten hier 10–15 % teurer sind. Kein Wunder, dass die Brexit-Erfahrungen der Einheimischen meist in Nachteilen gipfeln.

Die Unterkunft liegt derart abgeschieden von der Straße, derart entrückt aller Zivilisation und ist von einer solchen Stille umgeben, dass ich befürchte, mein Atmen sei bereits eine Störung der Ruhe.

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