17.02.2023 Vatikanische Museen

Mir geht es heute wie Goethe am 15.12.1876: „Ich habe große Freude gehabt, die ich dir in der Ferne mitteile. Ich war sehr vergnügt und wohl.“

Ich wollte mit dem Bus zu den Vatikanischen Museen fahren, was leider wegen eines Streiks der Busfahrer nicht möglich war. Zum Glück ist die U-Bahn-Station Cornelia nur wenige Gehminuten entfernt. Mit der Linie A bin ich bis Ottaviano gefahren. Von dort ist es nicht weit bis zum Eingang des Museums. Das Ticket hatte ich schon vor Wochen online gekauft, so dass ich nicht lange warten musste. Der Eingangsbereich ist riesig, modern und sehr übersichtlich organisiert.

Einen sehr guten Eindruck von der Pracht der Museen vermittelt die umfangreiche Website der Vatikanischen Museen. An dieser Stelle möchte ich zu einem virtuellen Rundgang durch die Museen einladen. Die einzelnen Sammlungen werden „fußschonend“ als Video vorgestellt!

Vollgepackt mit Kunst verließ ich 6,5 Stunden später das Museum, genauer gesagt verschiedene Museen bzw. Sammlungen. Ich bin 8.500 Schritte durch die Ausstellungsräume gelaufen. Mehr geht nicht. Es ist einfach unvorstellbar, dass so viel hervorragende Kunst an einem Ort versammelt ist, in Räumen, in denen nicht nur die Wände, sondern auch die Decken und Böden künstlerisch gestaltet sind.

Raffael‘s „Die Schule von Athen“, zu Ehren der großen griechischen Philosophen und die Befreiung von Heiligen Petrus haben es mir besonders angetan.

Neben diesen zum Teil riesigen Kunstwerken gibt es auch kleine zu entdecken, wie zum Beispiel dieses klein Bild von Vincent van Gogh, das ich noch gar nicht kannte.

Vor einigen Jahren habe ich mich intensiv mit seiner Biographie und seinem Werk beschäftigt. Besonders die Briefe an seinen Bruder Theodor haben mich beeindruckt und mir geholfen, diesen Künstler „kennen zu lernen“.

Dieser schöne Matisse hängt ganz in der Nähe.

Ich habe die Sixtinische Kapelle zum ersten Mal 1985 in einem unrestaurierten Zustand gesehen. Die Farben waren durch den Gebrauch von Fackeln und Kerzen stark vergraut. Nach der Restaurierung strahlen sie wieder, als wären die Fresken erst gestern gemalt worden. Die technische Ausführung ist absolut einzigartig. Die Auswahl der Motive und ihre Darstellung sind zeitlos schön und auch heute noch ansprechend, denn unser Geschmack wurde an diesen Bildern geschult. Ob wir es wissen oder nicht.

Goethe berichtet, dass es Mode war, die Museen abends mit Fackeln zu besuchen. Das flackernde Licht auf den Marmorkörpern ließ sie lebendiger erscheinen. Goethe kannte die Beschreibung der Laokoon-Gruppe von Johann Joachim Winckelmann und war – wie ich heute – begeistert von diesem Kunstwerk. Auf den viel gerühmten Apoll aus dem Belvedere musste ich heute leider verzichten, da er gerade beim Restaurator zur Schönheitskur ist.

Laokoon Gruppe

Ich kann mir vorstellen, dass Laokoons Gesichtsausdruck den Schmerz Goethes vor seiner Rückkehr nach Weimar im April 1788 ausdrückt. Er schrieb: „Groß war der Schmerz daher als ich , aus Rom scheidende von dem Besitz des endlich Erlangten sehnlichst Erhofften mich losreißen sollte“.

Ähnlich ging es mir, als ich im gleichen Alter und mit der gleichen zeitlichen Entfernung von zu Hause, nach 2 Jahren aus den USA und Brasilien nach Hamburg zurückkehrte. Was ich erst später bemerkte, war, dass ich nicht als derselbe, sondern als der gleiche nach Hause kam. So wie Goethe durch sein Kunststudium verändert wurde, so haben mich die verschiedenen Erfahrungen bei der Arbeit im Hospiz, bei der Organisation der Gay Games in New York, beim Ballett auf Hawaii und beim Samba in Rio verändert.

Beseelt von so viel großartiger Kunst machte ich mich noch einmal auf den Weg zur Piazza Navona. In der leisen Hoffnung, doch noch etwas vom Karneval miterleben zu können, leider vergeblich. Dafür wurde ich mit einer sich langsam über die Stadt legenden wunderschönen Abenddämmerung belohnt.

Zum Ende des Tages möchte ich Goethe zu Wort kommen lassen :

„Rom, den 2. Dezember 1786.

Das schöne, warme, ruhige Wetter, das nur manchmal von einigen Regentagen unterbrochen wird, ist mir zu Ende Novembers ganz was Neues. Wir gebrauchen die gute Zeit in freier Luft, die böse im Zimmer, überall findet sich etwas zum Freuen, Lernen und Tun.

Am 28. November kehrten wir zur Sixtinischen Kapelle zurück, ließen die Galerie aufschließen, wo man den Plafond näher sehen kann; man drängt sich zwar, da sie sehr eng ist, mit einiger Beschwerlichkeit und mit anscheinender Gefahr an den eisernen Stäbenweg, deswegen auch die Schwindligen zurückbleiben: alles wird aber durch den Anblick des größten Meisterstücks ersetzt. Und ich bin in dem Augenblicke so für Michelangelo eingenommen, daß mir nicht einmal die Natur auf ihn schmeckt, da ich sie doch nicht mit so großen Augen wie er sehen kann. Wäre nur ein Mittel, sich solche Bilder in der Seele recht zu fixieren! Wenigstens was ich von Kupfern und Zeichnungen nach ihm erobern kann, bring‘ ich mit.

Wir gingen von da auf die Logen Raffaels, und kaum darf ich sagen, daß man diese nicht ansehen durfte. Das Auge war von jenen großen Formen und der herrlichen Vollendung aller Teile so ausgeweitet und verwöhnt, daß man die geistreichen Spielereien der Arabesken nicht ansehen mochte, und die biblischen Geschichten, so schön sie sind, hielten auf jene nicht Stich. Diese Werke nun öfter gegeneinander zu sehen, mit mehr Muße und ohne Vorurteil zu vergleichen, muß eine große Freude gewähren; denn anfangs ist doch alle Teilnahme nur einseitig.

Von da schlichen wir, fast bei zu warmem Sonnenschein, auf die Villa Pamfili, wo sehr schöne Gartenpartien sind, und blieben bis an den Abend. Eine große, mit immergrünen Eichen und hohen Pinien eingefaßte flache Wiese war ganz mit Maßlieben übersäet, die ihre Köpfchen alle nach der Sonne wendeten; nun gingen meine botanischen Spekulationen an, denen ich den andern Tag auf einem Spaziergange nach dem Monte Mario, der Villa Melini und Villa Madama weiter nachhing. Es ist gar interessant, zu bemerken, wie eine lebhaft fortgesetzte und durch starke Kälte nicht unterbrochene Vegetation wirkt; hier gibt’s keine Knospen, und man lernt erst begreifen, was eine Knospe sei. Der Erdbeerbaum (arbutus unedo) blüht jetzt wieder, indem seine letzten Früchte reif werden, und so zeigt sich der Orangenbaum mit Blüten, halb und ganz reifen Früchten (doch werden letztere Bäume, wenn sie nicht zwischen Gebäuden stehen, nun bedeckt). Über die Zypresse, den respektabelsten Baum, wenn er recht alt und wohl gewachsen ist, gibt’s genug zu denken. Ehstens werd‘ ich den botanischen Garten besuchen und hoffe, da manches zu erfahren. Überhaupt ist mit dem neuen Leben, das einem nachdenkenden Menschen die Betrachtung eines neuen Landes gewährt, nichts zu vergleichen. Ob ich gleich noch immer derselbe bin, so mein‘ ich, bis aufs innerste Knochenmark verändert zu sein.

Für diesmal schließ‘ ich und werde das nächste Blatt einmal ganz von Unheil, Mord, Erdbeben und Unglück anfüllen, daß doch auch Schatten in meine Gemälde komme.“

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