Die Drei Grazien, Eros und ich

Theodor Fontane sagte: „Man sieht nur, was man weiß! Deshalb möchte ich meine Bildbeschreibung mit einer kurzen Erläuterung zum Motiv der „Drei Grazien“ beginnen. Seit der griechischen Antike hat sich das Bild der Grazien gewandelt. 

Ihre wesentlichen Merkmale lassen sich in etwa wie folgt beschreiben. Nach Hesiod sind die drei Grazien Aglaia  („Glanz”, „Anmut“), Euphrosyne („Freude”, „Frohsinn”) und Thalia (“blühendes Glück”).

Sie gelten als Töchter der Eurynome, der „Großen Göttin aller Dinge“, deren Name „die Allumfassende“ bedeutet. Sie war die dritte Gattin des Zeus. Die Grazien gehören oft zum Gefolge der Göttin Aphrodite (Göttin der Liebe und der sinnlichen Begierde, Sexualität, Fortpflanzung). In Rom wurde Aphrodite als Venus verehrt. 

Die Grazien beschäftigen sich mit den Prozessen des Werdens und des Seins des irdischen Lebens und des Kosmos. Sie sind verantwortlich für das Wachsen und Gedeihen in der Natur und das Wachen über den Lauf der Zeit. Die Grazien sollen das Leben auch in sozialer Hinsicht fruchtbar und freundlich machen. Sie verkörpern das Prinzip der Freigebigkeit. So stehen die drei für das Geben, Empfangen und Erwidern von Wohltaten. Sie stehen eng beieinander und umarmen sich schwesterlich. Dies ist ein Hinweis darauf, dass Geben, Empfangen und Erwidern von Wohltaten Hand in Hand gehen.

Interessiert und vorsichtig betrachten sie den Pfeil, den sie offensichtlich aus Eros Köcher genommen haben, der zu ihren Füßen liegt. Eros wurde von den Römern als Amor verehrt. In Platons Symposion erfährt Sokrates von Diotima, dass Eros nicht der Gott der Liebe, sondern der „Gott des Sich-Verliebens“ ist! Diese Pfeile schießt Eros, der Sohn der Liebesgöttin Aphrodite, in ihrem Auftrag. Wer vom Pfeil des Eros, des geflügelten Boten der Göttin, getroffen wird, den durchdringt „unbedingte Liebe“, „totale Hingabe“ und ein „bedingungsloses Ja (zum Leben)“.

Eros, der zu Füßen der Grazien sitzt, blickt auf und legt die Leier weg, auf der er gespielt hat. Für wen ist dieser Pfeil gedacht?

Ich denke, für jeden Menschen, der seine Rüstung ablegt, die aus seinem Status, seinem Wissen und all seinen Werturteilen besteht; mit anderen Worten, für jeden, der sich nackt und verletzlich macht.

Wer vom Pfeil des Eros getroffen wird und das absolute „Verliebtsein“ erfährt und vorbehaltlos „Ja zum Leben“ sagt, dem schenken die Grazien Glanz, Fröhlichkeit und blühendes Glück.Aus diesem unbedingten Ja zum Leben – dazu gehören auch Alter, Krankheit und Tod – erwachsen das Mitgefühl und die Offenheit für den Mitmenschen, besonders für den Notleidenden. 

Das ist für mich die wichtigste Voraussetzung für aufrichtige Liebe. Mit zunehmendem Alter erkennt man, dass das letzte Hemd keine Taschen hat. Im Angesicht des Todes wird einem bewusst, dass man so nackt geht, wie man gekommen ist.  Und, dass man nicht einmal sein letztes Hemd mitnehmen kann. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass einem die Liebe, die man im Leben erfahren hat, bleibt.

Vivat Amor!

Berthel Thorvaldsen (1744 – 1844) schuf die Statue „Die Grazien mit dem Pfeil von Eros und Eros spielt die Leier“.

Sie steht im Thorvaldsen Museum im Kopenhagen. Die Kollage ist aus dem August 2023.

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