14.09.2023 Bordeaux – Saint-Michel-de-Montaigne – Bergerac – Höhle von Rouffignac – Limoges

Neulich beim Frühstück in Nantes habe ich darüber nachgedacht, dass so eine Reise wie das Leben wie ein Kaleidoskop ist. Im Museumsshop fand ich dann ein Kaleidoskop! Ich bin glücklich und dankbar für alles, was ich in den letzten 63 Jahren erlebt habe. Ich lebe gerne! Und am liebsten mit den Menschen, die heute an mich gedacht haben. Mit Zuversicht schaue ich in eine vielfältige Zukunft.

Ich wollte den Sonnenaufgang sehen. Das war keine so gute Idee, denn von Bordeaux aus fuhr ich geradeaus nach Osten, um nach Saint-Michel-de-Montaigne zu kommen, denn die aufgehende Sonne schien mir direkt ins Gesicht und blendete mich. Erst beim Frühstück in der Nähe des Schlosses beruhigten sich die Augen wieder.

Ich hatte mir zu meinem Geburtstag einen meiner Lieblingsautoren, Humanisten und Philosophen vorgestellt.
Michel de Montaigne (1533-1592) war Parlamentsrat (Richter am Obersten Gerichtshof) in Bordeaux, mehrmals Bürgermeister von Bordeaux und Begründer der literarischen Gattung des Essays. Er lebte bis zu seinem Tod in seinem Schloss Montaigne.

Als Bürgermeister von Bordeaux und als Unterhändler zwischen den kriegführenden Parteien im Königreich nahm er aktiv am politischen Leben teil. Er war mit Heinrich von Navarra, später Heinrich IV., (siehe auch bei Heinrich Mann) befreundet.
Die Essais (1572-1592) haben von Shakespeare über Pascal und Descartes bis hin zu Nietzsche, Proust und Heidegger das Denken der größten Schriftsteller Frankreichs und Europas angeregt. Auch wenn sein Buch „nichts nützt“ (dem Leser), weil es sich von den an der Sorbonne erlaubten Moraldiskursen unterscheidet, betont Montaigne, dass jeder, der es liest, von seiner Erfahrung profitieren kann. Die Weisheit der Essais, die von den Zeitgenossen geschätzt wird, überschreitet die Grenzen des Dogmatismus und kann in der Tat von allen genutzt werden, denn:
„Jeder Mensch trägt die ganze Gestalt des Menschseins in sich“.

Im Bibliotheksturm neben dem Schloss befinden sich seine Kapelle, sein Schlafzimmer und sein Arbeitszimmer. Hier entstanden seine „Essays“, die ich immer wieder gerne lese. Vor allem den Essay über die Freundschaft, möchte ich jedem und jeder ans Herz legen.

Die Erinnerung an die von „meinem“ Stefan Zweig geschriebene Biographie Michel de Montaignes wird in mir wieder lebendig, als ich 15 Minuten auf dem Boden des Arbeitszimmers sitze und den Raum für mich allein habe.

Die Deckenbalken seines Arbeitszimmer sind sozusagen tätowiert mit griechischen oder lateinischen Sinnsprüchen.

Bergerac liegt an der Dordogne. Mit ca. 26.000 Einwohnern ist es bereits die zweitgrößte Stadt dieser Region, die sich scheinbar ausschließlich dem Weinbau widmet. Der aus einigen Filmen bekannte „Cyrano de Bergerac“ hat außer der Namensgleichheit nichts mit dem Ort zu tun, was Bergerac aber nicht daran hindert, mindestens zwei Cyrano-Statuen aufzustellen und mit den Touristen Geld zu verdienen.

Bei Wikipedia kann man die spannende Biographie des „echten“ Cyrano (1619 – 1655) nachlesen. Seine beiden utopischen Erzählungen würde ich gerne mal lesen! Der „andere“ Cyrano de Bergerac ist eine Roman- und Filmfigur (1897) von Edmond Rostand. Eine kurze Zusammenfassung gibt es bei Sommers Weltliteratur to go.

Die Höhle von Rouffignac ist eine der zahlreichen Höhlen der Dordogne und liegt nur eine gute Autostunde von Bergerac entfernt. Also nichts wie hin. Die anderen Höhlen, wie auch die von Lascaux, lasse ich (leider) links liegen.

Sie enthält mehr als 250  Petroglyphen  (Felszeichnungen) aus dem späten Jungpaläolithikum, wahrscheinlich aus dem Magdalénien.

Ich habe großes Glück, denn ich kann ohne Voranmeldung ein Ticket für die Besichtigung der Höhle kaufen. Um diese Felszeichnungen zu sehen, werden wir mit einer kleinen elektrischen Bahn 1 km (!) in den Berg hineingefahren. Dort haben ca. 14.000 Menschen Tierzeichnungen an die Wände gemalt, die mich sprachlos machen. Die Darstellungen sind präzise und wohlproportioniert. Oft braucht man viel Phantasie oder die Hilfe von Fachleuten, um das Dargestellte zu erkennen. Hier nicht!

Nach dem Besuch braucht man Zeit, um die Eindrücke zu verarbeiten. Während ich mich im Sommer aufwärme, frage ich mich, was die Menschen zu diesen Zeichnungen inspiriert hat. Es muss viel Mühe gekostet haben, so tief im Berg verborgen, bei Fackelschein so etwas Kunstvolles zu zeichnen. Jede Ritzzeichnung muss genau sein, denn eine Veränderung, eine Radierung ist nicht möglich. Da waren wahre Meister am Werk. Reine Dekorationen waren es sicher nicht, denn die Höhlen waren nach den Erkenntnissen der Forschung nicht bewohnt.

Es war eine schöne Fahrt von ca. 110 km nach Limoges, wo ich übernachten werde. Nach einem opulenten Abendessen beende ich einen schönen Tag, der ganz nach meinem Geschmack war.

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