22.04.2023 Berlin – Schifffahrt – Historisches Museum – Philharmonie

Nach dem Frühstück wandern wir zum Tränenpalast. Der Eintritt ist frei. Die Ausstellung gibt Auskunft über die Ein- und Ausreiseprozeduren an der Friedrichstraße für Bürger aus Ost und West. Ich habe sie einige Male durchlaufen müssen, um Verwandte oder Freunde in Ost-Berlin zu besuchen.

Ich habe ein komisches Gefühl, weil ich mich an viele Ausstellungsstücke im Original erinnere. Ich habe viele Pakete zur Post getragen, die meine Eltern an Verwandte in der „Ostzone“ geschickt haben. Ich finde es toll, dass meine Eltern ganz selbstverständlich diese finanziellen Lasten auf sich genommen haben, auch wenn manche Paketempfänger dachten, dass der Paketinhalt von Aldi kam, also nichts kostete.  Die Portokosten und der Inhalt summierten sich jeden Monat auf beträchtliche Summen.

Meine Eltern haben viele Pakete gepackt, die ich zur ziemlich weit entfernten Post tragen musste. Viele Empfänger dieser Pakete wunderten sich später, dass meine Eltern für den Inhalt tatsächlich bezahlen mussten. Oft hörten wir von den Eltern, dass kein Eis oder Süßigkeiten für uns mehr drin waren, weil wir ein Paket „nach drüben“ schicken mussten, um zu helfen.

Was für den Hamburger Alster und Elbe sind, sind für den Berliner Spree und Havel. Deshalb bestiegen wir an der Friedrichstraße ein Schiff, um Berlin für etwas mehr als zwei Stunden von der Wasserseite aus zu erkunden. Mit großem Erstaunen sahen wir die vielen Neubauten. Hotels, Wohnungen und Büros in interessanter Architektur. Völlig neue Stadtteile, wie zum Beispiel die Europacity, sind entstanden. Ich denke, dass Hildegard Knef ihren Koffer in Berlin nicht mehr wiederfinden würde.

Es hätte auch ganz anders kommen können. Nicht nur in der Architektur oder Stadtplanung. Eines meiner Lieblingsmuseen in Berlin ist das Deutsche Historische Museum. Die Ausstellungen sind kompakt und dennoch informativ. „Es hätte auch ganz anders kommen können.“ heißt die gegenwärtige Ausstellung. Ausgehend von zentralen Schlüsselmomenten der deutschen Geschichte präsentiert das Deutsche Historische Museum einen Rückblick auf einschneidende historische Ereignisse des 19. und 20. Jahrhunderts.

Was wäre passiert, wenn die Mauer in die andere Richtung umgefallen wäre?

Diese Forderung aus der Vergangenheit taugt auch für die Gegenwart, nicht wahr?

Nach einem kurzen Aufenthalt im Hotel, ging es zu den Berliner Philharmonikern. Wir hatten gestern das große Glück, noch zwei Karten für das Debüt des aufstrebenden finnischen Dirigenten Klaus Mäkelä zu bekommen. Es gibt nur 7 Sonderplätze in der Loge G und die sind perfekt 🙂

Die Einführung vor dem Konzert war informativ und unterhaltsam. Schostakowitsch litt unter Stalin und seine Komposition ist als als politisches Statement zu verstehen. Julian Barnes hat ein eindrucksvolles Buch über Schostakowitsch geschrieben, das die Zeit nach der 5. Sinfonie beschriebt: „Der Lärm der Zeit“ .

Tschaikowski war ein ebenso Verfolgter. Die 6. Sinfonie war seine letzte Komposition. Er dirigierte die Uraufführung. Neun Tage später war er tot. Möglicherweise war es Selbstmord aus Angst vor Entdeckung seiner Homosexualität. Mit diesem Wissen hört man noch ganz andere Stimmungen in der Musik.

So gerüstet freuten wir uns noch mehr auf die  6. Sinfonie von Schostakowitsch und die 6. Sinfonie von Tschaikowsky. Das Konzert wird uns in bester Erinnerung bleiben. Ich bin gespannt, was man in Zukunft von diesem jungen Talent noch hören wird.

Damit ging ein sonniger Tag zu Ende, an dem wir uns intensiv mit dem 20. Jahrhundert auf vielfältige Weise beschäftigt haben.

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