13.03.2023 Catania – Nicolosi – Ätna – Catania

In der Nacht hat es zwar keine Rosen geregnet, aber ich habe trotzdem sehr gut geschlafen. Irgendwie habe ich in den letzten Wochen gelernt, mit der festgesteckten Bettdecke zurechtzukommen. Irgendwie schaffe ich es jetzt, meine Füße so zu platzieren, dass ich nicht wie ein Balletttänzer in der „Primière-Position“ stehe und mich morgens frierend nur mit dem Laken zudecke.

Nach dem Frühstück auf der großen Dachterrasse, leider nur mit Blick in den Hinterhof, mache ich mich auf den Weg zum Dom. Montags sind die Museen geschlossen, deshalb will ich mir einige der vielen Kirchen anschauen. ch habe den Eindruck, dass „der Italiener“ den ganzen Tag die leckersten Kuchen und Süßigkeiten isst, wie zum Beispiel diesen Cannolo.  Sie werden überall den ganzen Tag angeboten und gegessen.

Angesichts des großen Angebots an Gemüse auf dem Markt bedauere ich, dass ich keine Küche habe. Noch mehr bedauere ich, dass dieses Gemüse nicht auf den Speisekarten der Restaurants zu finden ist. Lediglich gegrillte Auberginen und Zucchini werden als Gemüse angeboten. Die von Ärzten propagierte mediterrane Ernährung ist auch in den teureren Restaurants nicht möglich. Ich bin wirklich erschüttert und enttäuscht!

Auf dem Weg zum Dom werfe ich einen Blick in die ehrwürdige Universität von Catania und kaufe auf dem Markt dann doch ein Ticket für einen Ausflug auf den Ätna, weil mir der Sinn nach Abkühlung steht und die Wettervorhersage günstig ist. In dieser Jahreszeit ist der Gipfel oft wolkenverhangen. Der Ätna überragt die Stadt und ist von vielen Standorten aus zu sehen.

Der Bus bringt uns für 35 Euro auf eine Höhe von 2.000 Metern, wo die Temperatur an diesem Tag auf bis zu 6 Grad steigen soll. Von dort kann man für weitere Euro 89 mit der Seilbahn auf 2.500 m fahren, um dann doch unterhalb des aktiven Kraters zu bleiben.

Über dem Schneefeld in der Bildmitte, schnauft Ätna eine Wolke aus.

Ich entscheide mich gegen die Seilbahn und für ein überraschend gutes und preiswertes Essen an der Bergstation mit toller Aussicht. Ich teile mir den Tisch mit einem bulgarischen Ehepaar. Wir unterhalten uns angeregt über die Verhältnisse in Bulgarien und Europa. Ich denke, ich sollte mal nach Bulgarien fahren.

Nach einem Spaziergang um einen der vielen neuzeitlichen Krater geht es zurück nach Catannia, wo es 11 Grad wärmer ist.

Von Nicolosi aus begann Goethe seine Besteigung des Ätna, genauer gesagt des Kraters Monte Rosso. Die Gemeinde Nicolosi erinnert mit einem kleinen Denkmal an dieses Ereignis. Unser Busfahrer wußte nichts davon. Während unseres Aufenthaltes auf dem Ätna hatte er sich schlau gefragt und präsentiert mir auf der Rückfahrt stolz das Denkmal.

Goethes Ätna-Besteigung fand im Oktober bei sehr ungünstigem Wetter statt. Die Beschreibung habe ich als Fußnote in meinen Tagesbericht aufgenommen.

Um 18 Uhr sind wir wieder am Dom. In der Nähe befindet sich das Teatro Massimo Bellini. Leider wird in diesem schönen Opernhaus nicht jeden Tag gespielt. Die nächsten Vorstellungen sind erst in 10 Tagen. Und wieder einmal wird ihr klar, was für ein Glück ich habe, in Hamburg zu leben, wo man im Prinzip jeden Abend in die Oper gehen kann.

Catania, Freitag, den 4. Mai 1787:

Bald nach Tische kam der Abbè mit einem Wagen, da er uns den entferntern Teil der Stadt zeigen sollte. Beim Einsteigen ereignete sich ein wundersamer Rangstreit. Ich war zuerst eingestiegen und hätte ihm zur linken Hand gesessen, er, einsteigend, verlangte ausdrücklich, daß ich herumrücken und ihn zu meiner Linken nehmen sollte; ich bat ihn, dergleichen Zeremonien zu unterlassen. »Verzeiht«, sagte er, »daß wir also sitzen, denn wenn ich meinen Platz zu Eurer Rechten nehme, so glaubt jedermann, daß ich mit Euch fahre, sitze ich aber zur Linken, so ist es ausgesprochen, daß Ihr mit mir fahrt, mit mir nämlich, der ich Euch im Namen des Fürsten die Stadt zeige.« Da gegen war freilich nichts einzuwenden, und also geschah es.

Wir fuhren die Straßen hinaufwärts, wo die Lava, welche 1669 einen großen Teil dieser Stadt zerstörte, noch bis auf unsere Tage sichtbar blieb. Der starre Feuerstrom ward bearbeitet wie ein anderer Fels, selbst auf ihm waren Straßen vorgezeichnet und teilweise gebaut. Ich schlug ein unbezweifeltes Stück des Geschmolzenen herunter, bedenkend, daß vor meiner Abreise aus Deutschland schon der Streit über die Vulkanität der Basalte sich entzündet hatte. Und so tat ich’s an mehrern Stellen, um zu mancherlei Abänderungen zu gelangen.

Wären jedoch Einheimische nicht selbst Freunde ihrer Gegend, nicht selbst bemüht, entweder eines Vorteils oder der Wissenschaft willen, das, was in ihrem Revier merkwürdig ist, zusammenzustellen, so müßte der Reisende sich lang vergebens quälen. Schon in Neapel hatte mich der Lavenhändler sehr gefördert, hier in einem weit höheren Sinne der Ritter Gioeni. Ich fand in seiner reichen, sehr galant aufgestellten Sammlung die Laven des Ätna, die Basalte am Fuß desselben, verändertes Gestein, mehr oder weniger zu erkennen; alles wurde freundlichst vorgezeigt. Am meisten hatte ich Zeolithe zu bewundern aus den schroffen, im Meere stehenden Felsen unter Jaci.

Als wir den Ritter um die Mittel befragten, wie man sich benehmen müsse, um den Ätna zu besteigen, wollte er von einer Wagnis nach dem Gipfel, besonders in der gegenwärtigen Jahreszeit, gar nichts hören. »Überhaupt«, sagte er, nachdem er uns um Verzeihung gebeten, »die hier ankommenden Fremden sehen die Sache für allzu leicht an; wir andern Nachbarn des Berges sind schon zufrieden, wenn wir ein paarmal in unserm Leben die beste Gelegenheit abgepaßt und den Gipfel erreicht haben. Brydone, der zuerst durch seine Beschreibung die Lust nach diesem Feuergipfel entzündet, ist gar nicht hinaufgekommen; Graf Borch läßt den Leser in Ungewißheit, aber auch er ist nur bis auf eine gewisse Höhe gelangt, und so könnte ich von mehrern sagen. Für jetzt erstreckt sich der Schnee noch allzuweit herunter und breitet unüberwindliche Hindernisse entgegen. Wenn Sie meinem Rate folgen mögen, so reiten Sie morgen bei guter Zeit bis an den Fuß des Monte Rosso, besteigen Sie diese Höhe; Sie werden von da des herrlichsten Anblicks genießen und zugleich die alte Lava bemerken, welche dort, 1669 entsprungen, unglücklicherweise sich nach der Stadt hereinwälzte. Die Aussicht ist herrlich und deutlich; man tut besser, sich das übrige erzählen zu lassen.«

Catania, Sonnabend, den 5. Mai 1787.

Folgsam dem guten Rate, machten wir uns zeitig auf den Weg und erreichten, auf unsern Maultieren immer rückwärts schauend, die Region der durch die Zeit noch ungebändigten Laven. Zackige Klumpen und Tafeln starrten uns entgegen, durch welche nur ein zufälliger Pfad von den Tieren gefunden wurde. Auf der ersten bedeutenden Höhe hielten wir still. Kniep zeichnete mit großer Präzision, was hinaufwärts vor uns lag: die Lavenmassen im Vordergrunde, den Doppelgipfel des Monte Rosso links, gerade über uns die Wälder von Nicolosi, aus denen der beschneite, wenig rauchende Gipfel hervorstieg. Wir rückten dem roten Berge näher, ich stieg hinauf: er ist ganz aus rotem vulkanischem Grus, Asche und Steinen zusammengehäuft. Um die Mündung hätte sich bequem herumgehen lassen, hätte nicht ein gewaltsam stürmender Morgenwind jeden Schritt unsicher gemacht; wollte ich nur einigermaßen fortkommen, so mußte ich den Mantel ablegen, nun aber war der Hut jeden Augenblick in Gefahr, in den Krater getrieben zu werden und ich hinterdrein. Deshalb setzte ich mich nieder, um mich zu fassen und die Gegend zu überschauen; aber auch diese Lage half mir nichts: der Sturm kam gerade von Osten her über das herrliche Land, das nah und fern bis ans Meer unter mir lag. Den ausgedehnten Strand von Messina bis Syrakus mit seinen Krümmungen und Buchten sah ich vor Augen, entweder ganz frei oder durch Felsen des Ufers nur wenig bedeckt. Als ich ganz betäubt wieder herunterkam, hatte Kniep im Schauer seine Zeit gut angewendet und mit zarten Linien auf dem Papier gesichert, was der wilde Sturm mich kaum sehen, viel weniger festhalten ließ.

In dem Rachen des Goldenen Löwen wieder angelangt, fanden wir den Lohnbedienten, den wir nur mit Mühe uns zu begleiten abgehalten hatten. Er lobte, daß wir den Gipfel aufgegeben, schlug aber für morgen eine Spazierfahrt auf dem Meere zu den Felsen von Jaci andringlich vor: das sei die schönste Lustpartie, die man von Catania aus machen könne! Man nehme Trank und Speise mit, auch wohl Gerätschaften, um etwas zu wärmen. Seine Frau erbiete sich, dieses Geschäft zu übernehmen. Ferner erinnerte er sich des Jubels, wie Engländer wohl gar einen Kahn mit Musik zur Begleitung genommen hätten, welche Lust über alle Vorstellung sei.

Die Felsen von Jaci zogen mich heftig an, ich hatte großes Verlangen, mir so schöne Zeolithe herauszuschlagen, als ich bei Gioeni gesehen. Man konnte ja die Sache kurz fassen, die Begleitung der Frau ablehnen. Aber der warnende Geist des Engländers behielt die Oberhand, wir taten auf die Zeolithe Verzicht und dünkten uns nicht wenig wegen dieser Enthaltsamkeit.

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