18.09.2025 Aberdeen (4.Tag)

Zuneigung hat zwei Seiten. In der Nacht sprang die Katze mehrfach in mein Bett. Das war ziemlich ok, aber nicht ok war, dass sie auf meinen Kopfkissen – nicht etwa dem unbenutzten Kopfkissen liegen wollte. Sie blieb kompromisslos. Etwas verspannt wache ich auf, um die eingeforderte Morgenkuschelei zu absolvieren. Die Sonne lacht bei 19 Grad – ein freundlicher Empfang für den Tag.

Ich schlendere durch Aberdeen. Viele Restaurants haben COVID nicht überlebt, ihre Schaufenster sind trübe und leer. Vielleicht lag es aber auch an der falscher Rechtschreibung des Restaurantnamens am Firmenschild?

In ehemalige Ladengeschäften sind Charity-Shops eingezogen, die mit gebrauchten Sachen Geld sammeln für z. B. Obdachlose, Aids- oder Krebskranke, Depressive, Tiere. Offenbar besteht auf beiden Seiten Bedarf – ein stilles Zeugnis dafür, dass das National Health Service in größerer Notlage ist als unser deutsches Gesundheitssystem.

Die beiden großen Shoppingzenter erweisen sich als so langweilig wie die daheim. Nur Großhandelsketten mit ihren normierten, immer gleichen Produkten können die Mieten dort zahlen. Kennst du eines, kennst du alle – Globalisierung in Reinkultur.

Die Union Street – auch als Granite Mile bekannt – ist die Hauptgeschäftsstraße von Aberdeen und pulsiert derzeit vor Leben. An mehreren Stellen wird der Straßenbelag erneuert, doch die Begeisterung der Bevölkerung hält sich in Grenzen. Viele Aberdeener wünschen sich statt kosmetischer Maßnahmen eine sinnvolle Nutzung der zahlreichen leerstehenden Gebäude, die nach einer Instandsetzung öffentlichen oder gemeinschaftlichen Zwecken dienen könnten. Die fragmentierte Budgethoheit der verschiedenen Behörden erschwert jedoch eine koordinierte Stadtentwicklung – jede verfolgt ihre eigenen Partikularinteressen. Um Innenstädte wirklich lebendig zu halten, braucht es mehr als ein paar neue Sitzbänke: kreative Konzepte, Mut zur Zusammenarbeit und den Willen, das große Ganze in den Blick zu nehmen.

Als Hamburger kennen wir ähnlich bösartige Verleumdungen:

Und das ist der Faktencheck!

Hier das Das Marischal College (/ˈmɑːrʃl/ MAR-schəl) war zwischen 1593 und 1860 eine von zwei Universitäten in Aberdeen – neben dem King’s College. Im Jahr 1860 wurden beide Einrichtungen zusammengelegt und bilden seither die University of Aberdeen.

Vergeblich suche ich nach einem Blumengeschäft. Für Pennys Geburtstag morgen möchte ich einen Strauß kaufen. Vielleicht muss ich heute Nachmittag noch einmal zur Esplanade fahren, wo ich bei Home Depot Pflanzen und sehr schöne Seidenblumen gesehen habe. Dort war ich fast erschlagen von den übervollen Regalen mit Weihnachtsdekorationen – und dabei ist Weihnachten erst in drei Monaten. 

Fündig werde ich bei Mark & Spencers. Glück gehabt, denn in der Innenstadt erinnerten sich die Befragten nur an Läden, die es nicht mehr gibt.

Obwohl ich nun schon seit fast zwei Wochen im Vereinigten Königreich unterwegs bin, bekomme ich beim Überqueren einer Straße noch immer ein mentales Schleudertrauma. Zuerst nach rechts zu sehen, lernen wir als Kleinkinder – entsprechend tief ist dieser Reflex verankert. Autofahren lernt man später, deshalb fällt es vermutlich leichter, sich im Auto an den Linksverkehr zu gewöhnen als zu Fuß.

Seit Tagen fahre ich durch Großbritannien, gewöhne mich langsam an den Linksverkehr, an Kreisverkehre mit eigenem Rhythmus und Ampeln, die anders blinken. Doch wenn ich an einer roten Ampel halte und zum Auto rechts von mir blicke, überkommt mich ein seltsames Gefühl: Der Fahrersitz scheint leer, das Fahrzeug bewegt sich wie von Geisterhand. Für einen Sekundenbruchteil entsteht ein Riss im gewohnten Weltbild.

Natürlich weiß ich, dass der Fahrer rechts sitzt. Aber der Blick sucht instinktiv das vertraute, tief verankerte Muster. Es ist ein stiller Beweis dafür, wie mächtig Gewohnheit ist – und wie rasch sie ins Wanken gerät, wenn sich die Umgebung verändert. Die Welt wirkt in einem Moment fremd und vertraut zugleich. Genau das passiert, wenn man die Komfortzone verlässt und beginnt, neu zu sehen. Und dieses neue Sehen ist mehr als nur ein Perspektivwechsel – es ist ein Schutz vor mentaler Erstarrung und Vergreisung.

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