03.10.2025 Amsterdam – Paris

Das letzte Bild meines gestrigen Berichtes gelang mir am Nachmittag. Ein Flaneur hat Zeit – ich musste nur warten, bis die alte Dame mit ihrem Rollator vor dem Schaufenster stand. Ein gelungenes Bonmot, nicht wahr?

An einer Tür fand ich dieses Schild, dass nicht etwas auf 100 rauchende Huren hinweist, sondern, darauf, dass man hier 100 Smoking mieten, auf holländisch „huren“ kann. Klingt ein bisschen wir heuern, anheuern.

Ich habe bislang erst acht von zehn Reisetagen meines Interrail-Tickets genutzt. Was liegt also näher, als noch einen kleinen Abstecher nach Paris zu machen? Nichts – außer dreieinhalb Stunden Zugfahrt mit dem Eurostar.

Heute Morgen jedoch offenbarte der Blick aus dem Fenster nasse Tatsachen. Um 6:00 Uhr stolpere ich die langen, sehr engen, für holländische Häuser typischen steilen Treppen meiner Unterkunft hinunter. Gar nicht so leicht mit dem schweren Koffer. Im leichten Nieselregen ziehe ich ihn zur Straßenbahnhaltestelle. Der spätere Umstieg in die Metro verläuft bequem, und ruckzuck bin ich am Hauptbahnhof – in der Hoffnung, dort ein nettes Lokal zum Frühstücken zu finden. Selbst das Automaten-Restaurant hatte um 7:00 noch nicht geöffnet.

Der Zug läuft pünktlich aus dem Amsterdamer Bahnhof und wird sicherlich ebenso pünktlich um 11:38 Uhr in Paris Gare du Nord ankommen. Mit der Metro fahre ich weiter zu meiner Unterkunft am Boulevard Morland. Sie liegt zwischen Bastille und Notre-Dame de Paris – meinem eigentlichen Ziel dieses Abstechers.

Notre-Dame hatte nach dem verheerenden Brand im April 2019 am 8. Dezember 2024 wieder ihre Pforten geöffnet. Ich will die restaurierte Kirche und ihr Inneres unbedingt sehen. Die Berichte über die wiederhergestellten Innenräume, die hellen Steinwände und die erneuerten Kunstwerke haben meine Neugier geweckt. 1987 war ich mit Inge zum ersten Mal dort – ich erinnere das Innere als dunkel und düster.

Aus Frust über das Picasso-Museum im letzten Jahr werde ich es diesmal nicht besuchen, sondern lieber ins zauberhaft gelegene Rodin-Museum gehen. Bei der Recherche nach den Öffnungszeiten des Centre Pompidou verstehe ich nun, warum die Brancusi-Ausstellung in Amsterdam gezeigt werden konnte: Das Centre Pompidou ist seit September 2025 wegen Renovierungsarbeiten geschlossen.

Zum Glück gibt es in Paris keinen Mangel an Museen!

Wie in einem Werbefilm für Interrail geht’s weiter: Der Zug startet ebenso pünktlich in Amsterdam, wie er zuvor in Paris angekommen ist. In Amsterdam – wie auch in den Städten, in denen der „Trainer Fantastic“ aus dem Vereinigten Königreich hält – genügt es, beim Ein- und Aussteigen einfach die Visa-Karte oder das Telefon kontaktlos an die Lesegeräte zu halten. Der richtige Fahrpreis wird automatisch abgezogen. In Paris hingegen steht man lange in Schlangen vor den Fahrkartenautomaten, ratlos, weil man nicht weiß, welche Zone man wählen oder wie oft man fahren möchte. Lohnt sich eine Tageskarte? Das System wirkt konzeptlos, altmodisch und nervt – ebenso wie der Zugang zur Metrostation „Quai de la Rapée“. Kein Fahrstuhl, keine Rolltreppe erleichtert das Schleppen des schweren Koffers auf Straßenniveau.

Ohne Einkäufe gemacht zu haben, scheint der Koffer im Laufe der Reise immer schwerer zu werden – ganz im Gegensatz zu den vielen Eindrücken in meinem Kopf, die leicht und lebendig bleiben.

Auch hier hatte ich gut geplant: Es sind nur ein paar hundert Meter bis zu meiner Unterkunft. An der kurzen Straße gibt es links und rechts Restaurants. In einem davon esse ich ein sehr leckeres vegetarisches Couscous. Allein für das anschließende, federleichte Mousse au Chocolat hätte sich der Besuch in Paris gelohnt. Doch weitere Leckerbissen – kulinarische wie kulturelle – warten auf mich. Mal sehen, was es gibt.

Und hier ein kleiner AN die Küche:

Ein leichter Nieselregen fiel während meines ersten Erkundungsrundganges, zu wenig um einen Regenschirm aufzuspannen, zu viel für einen Brillenträger. In dieser Gegend laufen offensichtlich weniger Touristen als anderswo in Paris. 

Nicole, die Modefarbe in Paris ist ganz existentialistisch: Schwarz. Madame Plisett, die Vielfältige, diktiert Plisseefalten als Rock, Hose oder Mantel. Ich habe nicht wenige Männer gesehen, die über weiten Hosen mit Camouflagemuster knielange Röcke trugen – was meiner Meinung nach als RFA (recovered fashion addict) ziemlich albern aussieht.

Ich wohne in der ehemaligen Conciergekammer, gleich neben der Eingangstür. Die Fensterläden lassen sich nur mit Mühe öffnen und bieten mir weniger Ausblick, als den Passanten Einblick. Der große Vorteil dieser Miniwohnung ist, dass ich den Koffer keine einzige Stufe tragen muss.

Auf dieser Reise habe ich in sehr unterschiedlichen Betten bzw. Räumen geschlafen, dabei habe ich die verschiedensten Türschlosssysteme und Badezimmerarmaturen kennengelernt – von den Matratzen- und Kopfkissenqualitäten ganz zu schweigen.

Gestern war ich 15 km und heute 11 km zu Fuß unterwegs. Ich kaufe nebenan Wein, Baguette und Käse und mache es mir im aussichtslosen Zimmer gemütlich.

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