

Bei dieser Reise standen keine langen Nächte in Pubs auf dem Programm. Stattdessen hatte ich mir vorgenommen, historische Kinos zu besuchen – ein Vorhaben, das pandemiebedingt lange aufgeschoben war. Viele alte Lichtspielhäuser sind inzwischen verschwunden oder modernen Bauten gewichen. Umso überraschter war ich, als ich den „Electric Palace“ in Harwich entdeckte: ein von Ehrenamtlichen betriebenes und liebevoll restauriertes Kino von 1911, mit tadellos erhaltenem Stuck, einer alten Uhr und einer Kinokasse wie aus The Purple Rose of Cairo. Der Film wurde fast zur Nebensache, denn der Abend gehörte dem Ort. Mir kommt der Gedanke, dass vielleicht sogar der Sohn von Dr. Lippman einmal in diesem Kinosaal gesessen hat.

Reisetage sind immer ein kleines Abenteuer. Man weiß nie, ob die Planung aufgeht oder ob das Unerwartete zuschlägt. Diesmal lief alles erstaunlich glatt: Der erste Zug zur Fähre, die Fähre selbst, der zweite und dritte Zug – alle pünktlich. 4:0 für die Logistik! Ein kleiner Patzer bei Google Maps: Der Fußweg von der Fähre zur Metro war mit 30 Minuten angegeben, tatsächlich waren es nur fünf. 5:0 – dank einer Nachfrage bei einem Hafenmitarbeiter und nicht blindem Vertrauen ins Handy.

Es sind so wenige Passagiere an Bord, dass sich das Personal damit beschäftigt, die Salz-Tütchen sorgfältig auszurichten.
Auch hier spürt man die Folgen des Brexit: Nun ist eine schriftliche Einreisegenehmigung erforderlich – etwas, das im Schengenraum zuvor nicht nötig war.
Die Überfahrt war ein Genuss: Sonne satt, windgeschützte Ecke, 20 Grad. Das Meer war ruhig, und hunderte Windräder drehten sich fleißig. Der Wind treibt heute keine Dreimaster wie die Cutty Sark über das Meer, sondern treibt Rotoren zur Stromgewinnung.

In Amsterdam Amstel nahm ich ein Taxi zu meiner Unterkunft südlich des Rijksmuseums. Ich war um 7:00 Uhr aus dem Haus gegangen und trotz kürzester Umsteigezeiten, die ich nur im Schnellschritt geschafft habe, kam ich erst kurz vor 20:00 Uhr am Ziel an.
Ein kleiner Wermutstropfen: Die iCloud synchronisiert meine Fotos nicht aufs MacBook, sodass der Tagesbericht vorerst bildlos bleibt. Damit sich niemand sorgt, habe ich eine Nachricht per WhatsApp verschickt. Vielleicht erreiche ich heute Abend noch Apple. Im letzten Jahrtausend hatten James Cook, Charles Darwin und ich solche Probleme jedenfalls nicht. Aber da gab es auch noch keine iCloud.


Auf der Rückfahrt von England zum Kontinent steht ein einzelner LKW auf der weiten Ladefläche der Fähre. Auf der Hinfahrt war das Deck voll – ein Sinnbild für Handel, Austausch, Bewegung. Jetzt: gähnende Leere.
Diese zufällige Beobachtung deckt sich mit dem Eindruck, den ich aus Gesprächen mit Briten gewonnen habe. Der Brexit hat keine neuen Horizonte eröffnet, sondern bestehende Verbindungen und Praktiken erschwert. Die Euphorie ist verflogen; geblieben sind bürokratische Hürden, wirtschaftliche Einbußen und ein Gefühl der Isolation. Der LKW auf dem Deck ist nicht nur ein Fahrzeug, sondern auch ein Symbol für das, was war – und jetzt fehlt.