06.09.2025 Hoek van Holland – Harwich

Den zweiten Reisetag lasse ich gemütlich angehen. Mit den neuen Wanderschuhen habe ich mir gestern zwei größere Blasen gelaufen – eine schmerzhafte Erinnerung daran, dass auch die besten Absichten ihre Tücken haben. Kaffee aus dem Automaten und abgepackte kleine Kuchen zum Frühstück bescheren uns interessante Unterhaltungen mit einem Polen und einem Berliner, der mit seinem behinderten Sohn eine dreiwöchige Fahrradtour durch England gemacht hat. Der Sohn fährt auf einem Fahrrad mit drei Rädern – eine wirklich tolle Leistung, die viel Mut und Ausdauer erfordert.

 

 

Um 10:00 Uhr muss ich auschecken, darf aber noch bis 12:00 Uhr sitzenbleiben und den ersten Tagesbericht zu Ende schreiben. Nach einem 10-minütigen Spaziergang zum Fähranleger zeigt sich die Stena Britannica in ihrer ganzen Pracht: Sie hat bereits begonnen, die circa 230 Autos und LKW zu schlucken wie ein mechanischer Wal. Bis zu 1200 Passagiere können in 550 Kabinen untergebracht werden. Der längste Korridor misst 220 Meter, das Schiff hat zwölf Etagen. Natürlich gibt es auch jede Menge Einkaufsmöglichkeiten, diverse Bars und Restaurants – plus plärrende Kinder und nervige, laute Musik.

Auf großen Kreuzfahrtschiffen multipliziert sich das Ganze mit Faktor drei oder vier. Die Vorstellung, so Urlaub zu machen, ist mir ein Albtraum. Mit Reisen hat es meiner Meinung nach wenig zu tun – denn was hat jemand von Deutschland gesehen, wenn er acht Stunden in Hamburg anlegt und einmal über Jungfernstieg oder Reeperbahn stolpert?

 

Hier ein Blick auf den großartigen Strand von Hoek van Holland.

 

Auf dem Schiff gilt britische Zeit – wir bekommen eine Stunde geschenkt! Damit wird die jedem Seemann heilige Mittagsstunde um eine Stunde länger, und ich kann zwei Stunden im Bett verbringen. Für die achtstündige Überfahrt habe ich eine Kabine ohne Fenster für weniger als 40€ gebucht. Sie ist erstaunlich groß und verfügt sogar über eine eigene Dusche. Der absolute Hit: der Fernseher, der auf einem Kanal Livebilder der Kamera überträgt, die am Bug steht. Ein Segen für Menschen mit Platzangst – das Meer im Fernseher statt vier Wände anzustarren.

 

Natürlich bin sehe ich mir das Meer und den weiten Himmel am Liebsten livehaftig an!

 

Gegen 19:30 erreichen wir Harwich, wo ich übernachten werde. Die Stadt, im 13. Jahrhundert strategisch geplant, war Ausgangspunkt für Hawkins, Drake und Frobisher zu elisabethanischen Zeiten. 1657 etablierte die Royal Navy hier ihre Basis, später machte die Eisenbahn Harwich zu Londons Außenhafen.

Aufgrund eines Bahnstreiks warte ich mit einem reizenden japanischen Ehepaar sage und schreibe zwei Stunden auf den Schienenersatzverkehr. Da unsere Unterhaltung angenehm und interessant ist, vergeht die Zeit wie im Fluge. Sie begleiten mich freundlicherweise zu meiner Unterkunft. Im Gastraum herrscht lockere Stimmung – es ist mittlerweile 22:00 Uhr englischer Zeit, und die Trauergesellschaft hat die Tränen des Tages getrocknet.

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