Ganymed

Jupiter (gr. Zeus) ist mit Juno  (gr. Hera), seiner Schwester verheiratet. Für Juno war es nicht leicht, die etwa vierzig Damen zu übersehen, die ihr Gatte als Jupiter oder eine seiner Verwandlungen bezirzt hatte. Wie Juno der Kragen platzte, als Jupiter nun auch noch mit dem schönen Königssohn Ganymed anbandelte, beschreibt Wieland in seinem Gedicht. Um den Jüngling immer bei sich zu haben, nimmt Jupiter ihn als seinen Mundschenk mit in die Götterwelt. Damit ist Ganymed der erste Mensch in der Götterwelt. Man kann sich vorstellen, dass dies zu Problemen mit Juno führt, da sie die Wächterin über die eheliche Sexualität und den Schutz der Ehe und der Geburt ist.

In der Erzählung „Juno und Ganymed“ von Christoph Martin Wieland beklagt sich Juno bei ihrem Gatten Jupiter, der sich in den schönen, heranwachsenden, aber noch bartlosen Ganymed verliebt hat. Aus dem Gedicht hier zwei Auszüge:

…“Um einer armen Kleinigkeit

Wird Hebe ungehört von ihrem Amt verdrungen,

Damit dein lüstern Aug an einem nackten Jungen

Sich täglich weiden kann…“

… Selbst Amor liebt den anmutsvollen Knaben,

(Ob Venus gleich ihm fast den Vorzug gibt)

Und will ihn stets zum Spielgesellen haben.

Kurz, Ganymed wird wegen seiner Gaben

Im ganzen Himmel bald beliebt.

Nur Juno murrt. Doch Zeus läßt, ohne Schrecken,

Den Nektar sich nur desto besser schmecken,

Den ihm sein Liebling lächelnd reicht.

Die Göttin staunt, bemerkt, vergleicht,

Macht manchen Schluß und glaubt zuletzt zu sehen,

Daß Ganymed und ihr geliebter Mann

Einander mehr als nötig ist verstehen…

 

… Sprich, wenn man bitten darf, schickt Ganymedes sich

Für mich nicht besser als für dich‘

Wer von uns kann ihn wohl mit besserm Anstand küssen?«

»Madame«, versetzt ihr Zeus, »die Frag ist überlei;

Ich sagt euch ja, daß ich hiebei

Den Sokrates zum Muster mir erwähle,

Und schöner Knaben schöne Seele

Allein der Gegenstand von meiner Liebe sei « –

»Ganz gut, mein Herr, es steht euch frei

An ihren Seelen euch nach Herzenslust zu weiden;

Ich gönn euch diesen edeln Trieb,

Und nehme, wie ihr seht, bescheiden,

Mit ihrem gröbern Teil vorlieb…“.

Auch Goethe widmete Ganymed ein Gedicht, in dem erstmals der Jüngste, der Geringste und dazu noch ein Mensch, also kein Gott, selbstbewusst und für sich selbst zu Wort kommt. Es ist die Rede von einer wechselseitigen Liebe, die sich „umarmend umfangen“, also aktiv und passiv ist. Ganymed ist Liebender und Geliebter.

Wie im Morgenglanze
Du rings mich anglühst,d
Frühling, Geliebter!
Mit tausendfacher Liebeswonne
Sich an mein Herz drängt
Deiner ewigen Wärme
Heilig Gefühl,
Unendliche Schöne!

Daß ich dich fassen möcht
In diesen Arm!
Ach, an deinem Busen
Lieg ich, schmachte,
Und deine Blumen, dein Gras
Drängen sich an mein Herz.
Du kühlst den brennenden
Durst meines Busens,
Lieblicher Morgenwind!
Ruft drein die Nachtigall
Liebend nach mir aus dem Nebeltal.

Ich komm, ich komme!
Wohin? Ach, wohin?

Hinauf! Hinauf strebts.
Es schweben die Wolken
Abwärts, die Wolken
Neigen sich der sehnenden Liebe.
Mir! Mir!
In euerm Schoße
Aufwärts!
Umfangend umfangen!
Aufwärts an deinen Busen,
Alliebender Vater!

Die erotische Lesart dieses Gedichts steht nicht im Widerspruch zur üblichen religiösen Lesart. Man muss sich nur vergegenwärtigen, dass das Verhältnis der alten Griechen zu ihren Göttern und zur Natur vom Eros geprägt war. Eros im Sinne von bedingungslosem Ergriffensein. In ihrer Vorstellung lebten die Götter in ihrer Welt, in den Bergen, in den Flüssen, in den Wäldern oder im Meer. Die alten Griechen hatten ein ganz selbstverständliches Verhältnis zu der von den Göttern beseelten Natur. Davon träumten auch die „Stürmer und Dränger“!

Die Hochzeit zu Kanaa von Paolo Veronese    (Zur Vergrößerung des Bildes einfach auf den Link klicken!)=

Dieses großformatige Gemälde wurde von Napoleon als Beutekunst in den Louvre gebracht. Goethe konnte dieses Bild noch am 17.04.1790 in San Girogio Maggiore in Venedig sehen. Vorne links entdeckte er eine Ganymed-Szene. Der kleine schwarze Sklave in orientalischer Kleidung reicht gewandt nur dem Bräutigam ein Glas Wein.

Im Venezianischen Epigramm Nr. 36 hält Goethe den Tag so fest

„Müde war ich geworden, nur immer Gemählde zu sehen,

Herrliche Schätze der Kunst, wie sie Venedig bewahrt.

Denn auch dieser Genuß verlangt Erholung und Muße

Nach lebendigem Reiz suchte mein schmachtender Blick.

Gaucklerin! da ersah ich in dir das Urbild der Bübchen, 

Wie sie Johannes Bellin reizend mit Flügeln gemahlt,

Wie sie Paul Veronese mit Bechern dem Bräutigam sendet,

Dessen Gäste, getäuscht, Wasser genießen für Wein.“

Die Gäste trinken Wasser, das sie für Wein halten, weil sie vom charmanten Mundschenk verzaubert sind. Das Schönheitsideal zu Goethes Zeit war extreme Blässe. Ich finde es interessant, dass Goethe sich gegen die Konventionen seiner Zeit stellt und das schwarze Bübchen, das noch dazu ein Sklave ist, schön findet. Das gibt Goethe die Möglichkeit, über universelle Schönheit nachzudenken. So ausgeprägt, dass er auch über das Schicksal des Sklaven länger nachgedacht hätte, war sein soziales Gewissen offenbar nicht. Unter all den Figuren, die auf dem Bild zu sehen sind, hat er den Jungen „gesehen“!

Rückkehr des Hyphaistos

Hier noch ein kurzer Nachtrag zu Hyphaistos:

Das Motiv der „unbefleckten Empfängnis“ wird von dem griechischen Dichter Hesiod beschrieben. Weil Hyphaistos so hässlich war, warf ihn seine Mutter Juno vom Olymp. Druch den Sturz erlitt er eine dauerhafte Behinderung. Nachdem er von Meeresnymphen die Schmiedekunst erlernt hatte, schickte er Juno einen goldenen Thron.

Als sie sich auf den Thron setzte, wurde sie durch ein Wunder so fest gefesselt, dass keiner ihrer Götterkollegen sie befreien konnte. Dionysios, der Gott des guten Weines, machte Hyphaistos betrunken. Auf einen Esel gebunden, brachte er ihn zum Olymp zurück, um seine Mutter zu befreien.

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